DFB-Pokal Runde zwei: Nach regulärer Spielzeit und Verlängerung steht es zwischen Mönchengladbach und Leverkusen 1:1. Es kommt zum Elfmeterschießen. Brisant: Patrick Helmes hat im Spiel einen Elfmeter verschossen (er schoss ihn recht satt rechts neben das Tor) und tritt im Elfmeterschießen erneut an. An was würden Sie denken, wenn Sie in der Situation von Patrick Helmes wären?
Geht es um alles oder nichts?
Würden Sie denken, dass es jetzt um `alles oder nichts´ geht? Selbsternannte Mentaltrainer bieten häufig genau diese Heilsbotschaft an und breiten dann gerne ihr Portfolio aus, welches sie auf sämtliche Situationen und jedes Problem stülpen: du musst den Sieg klar vor Augen haben, du musst fest an den Erfolg glauben, du musst es wirklich wollen! Ich werde Ihnen nachfolgend darstellen, dass diese Denkrichtung mitunter völlig am Bedarf vorbei geht und eine fundierte psychologische Optimierung auf der Gedankenebene dann doch etwas mehr Tiefgang besitzt.
Es geht um einen guten, platzierten Schuss
Worum geht es für den Schützen beim Elfmeter? Banale Antwort: darum, den Ball ins Tor zu schießen! Was ist für den Schützen dabei der größte Erfolgsfaktor? Banale Antwort: ein guter und placierten Schuss! Wie kann er einen guten und placierten Schuss abrufen? Banale Antwort: indem er sich auf den Schuss konzentriert. Worauf aber konzentriert sich der Schütze, wenn er `den Sieg und den Erfolg klar vor Augen hat´? Vielleicht weniger banale Antwort: auf die Konsequenzen, die sich aus dem Schuss eventuell für ihn ergeben…und nicht auf den Schuss selber!
Der Knackpunkt ist: will der Schütze einen erfolgreichen Elfmeter schießen, dann ist die größtmögliche Erfolgswahrscheinlichkeit nur gegeben, wenn er im entscheidenden Moment seine Gedanken weg vom möglichen Erfolg (oder Misserfolg) in der Zukunft hin zu seiner Aufgabe in der Gegenwart lenkt. Und die Aufgabe heißt einzig und allein: ein guter und placierter Schuss. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Konzentrieren Sie sich auf das „Hier und Jetzt“
Die wahre Kunst der Höchstleistung ist es, Gedanken auch und gerade unter Druck auf das zu fokussieren, was Sie gerade tun. Und das völlig unabhängig davon, was sich daraus für Konsequenzen ergeben könnten. Meine Empfehlung: versuchen Sie sich in engen Situationen ganz bewusst auf das `Hier und Jetzt´ zu konzentrieren. Das fängt bei alltäglichen Sachen an wie z.B. in einer Prüfung und hört auf in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht. Auch wenn es höchst unromantisch klingt: Erfolg ist letztendlich nicht mehr als ein Abfallprodukt Ihrer Handlung. Wenn Sie sich vorher zu viele Gedanken um Erfolg und Misserfolg machen forcieren Sie das, was Sie in einer Leistungssituation am wenigsten gebrauchen können: Druck.
Der Grübelwischer und das Selbstgespräch
Es gibt zahlreiche Methoden, mit denen sie sich eine entsprechende Gedankenausrichtung antrainieren können. Zwei bewährte Methoden aus der kognitiven Psychologie sind der `Grübelwischer´ und die Technik der Selbstgesprächregulation.
Der Grübelwischer kommt zum Einsatz, wenn sich in einer Situation Gedanken aufdrängen, die mit der unmittelbaren Bewältigung einer Aufgabe nichts zu tun haben. Dies sind Gedanken, die destruktiv sind und Stress verschärfen (z.B. Schwarzmalerei wie `Das geht bestimmt schief´, Besorgnis um Kritik wie `Ich werde dumm dastehen´, Selbstvorwürfe wie `Mir gelingt doch nichts richtig´ oder Selbstüberforderungen wie `Ich muss perfekt sein´). Wenn Sie bei sich ähnliche Gedanken entdecken, dann stellen sie sich einen großen Schwamm vor, mit dem Sie die Gedanken wie von einer Tafel wegwischen. Banal aber wirksam. Das allerdings nur, wenn sie dem Verfahren eine faire Chance geben und sich nicht das Teufelchen in Ihnen wichtig macht mit dem Spruch: `Ist das aber doof! ´.
Die Technik der Selbstgesprächregulation beschreibt einen Prozess, in dem individuelle Gedanken, die in einer Drucksituation bei einer Person auftreten, zuerst systematisch gesammelt und in unterstützende und behindernde Gedanken unterteilt werden. Unterstützende Gedanken sind in erster Linie Gedanken, die Aufmerksamkeit lenken und auf die Lösung von Aufgaben ausgerichtet sind. Gleichzeitig können sie auch motivierend und bei zu großer Aufregung rationalisierend wirken. Diese Gedanken werden bewusst eintrainiert oder im Idealfall durch Trancetechniken im Unterbewusstsein verankert. Behindernde Gedanken werden nicht etwa ignoriert oder weggedrückt – das wäre fatal, weil diese Gedanken, wenn sie nicht zugelassen und bewusst Abgewehrt werden würden, ein Eigenleben entwickeln, dass bewusst kaum mehr zu steuern ist – sondern auf Sinn und Nutzen untersucht und (wenn ihnen keine tiefer sitzende, psychische Dynamik zugrunde liegt) so umformuliert, dass eine positive und die Handlung unterstützende Aussage entsteht. Aus `das geht bestimmt schief´ kann so z.B. `wenn ich jetzt alle meine Sinne beisammen halte kann es klappen´ werden.
Wenn Sie mehr über die Techniken der Gedankenkontrolle erfahren möchten, dann empfehle ich Ihnen den Klassiker vom `Urvater´ der angewandten Sportpsychologie in Deutschland, HANS EBERSPÄCHER (s.u.). In meinem nächsten Beitrag werde ich aus dem 4 Ebenen Modell (siehe Blogbeitrag Nr. 1) das Fühlen thematisieren.
Ihr Gernot Emberger
PS: Patrick Helmes hat auch den zweiten Elfmeter nicht ins Tor gebracht. Das lag aber nicht daran, dass er schlecht geschossen hat (wenn Sie mich fragen hat er seine Gedanken und Emotionen sehr gut unter Kontrolle gehabt und den Schuss sehr placiert gesetzt), sondern daran, dass der Torwart von Mönchengladbach, Christopher Heimroth, exzellent gehalten hat. So kann das Leben halt manchmal auch sein: man macht alles richtig und irgendwie klappt es dann doch nicht. Dies trifft vor allem für den Hochleistungssport zu: wenn sich die Besten der Besten treffen ist es immer eng und es gibt keine Garantie auf Erfolg.
Literatur zum zweiten Teil:
Eberspächer, H. (2007/7) Mentales Training